Heimo Zobernig im

Österreichischen Pavillon 2015

 

Die Biennale von Venedig zählt international zu den wichtigsten Kunstausstellungen und feiert im Sommer 2015 ihr 120-jähriges Jubiläum. Ein Rückblick auf die Geschichte der bisher im Öster­reichischen Pavillon präsentierten Künstlerinnen und Künstler ver­deutlicht die ungemeine Spannbreite und Vielfalt der dort vor­gestellten Positio­nen. Bei aller Diversität liest sich jedoch der Großteil der Teilnehmer­namen im Nachhinein wie das „Who is Who“ der österreichischen Kunstszene vom Ende des 19. bis ins 21. Jahr­hundert: Dazu ge­hören etwa Gustav Klimt, Egon Schiele, Oskar Kokoschka, Arnulf Rainer, VALIE EXPORT, Maria Lassnig und Franz West.

 

In den letzten Jahren wurde mit Hans Schabus, Dorit Margreiter, Markus Schinwald und Mathias Poledna bewusst auf Positionen mit einem sehr differenzierten Verhältnis zu den von ihnen ein­gesetzten Medien gesetzt, die von Installationen über Malerei bis zu Perfor­mance und Film reichen. Neben Einzelpräsentationen gab es auch immer wieder Zusammenschauen von drei und mehr Positionen, und selbst auf die Beschränkung der eigenen Nationalität wurde mitunter verzichtet.

 

Mit Heimo Zobernig wählte Kommissär Yilmaz Dziewior für den Österreichischen Pavillon 2015 einen Künstler aus, der wie kaum ein anderer nicht nur die Kunstszene im eigenen Land maßgeblich prägt, sondern der auch im internationalen Kunst­diskurs und Ausstellungsbetrieb zu den erfolgreichsten Positionen zählt. Durch seine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er seit 14 Jahren lehrt, beeinflusst Zobernig bis heute nachfolgende Generationen. Seine Ausstellungstätigkeit reicht von der mehr­fachen Teilnahme an großen Veranstaltungen wie der Biennale von Venedig (1988 & 2001), der documenta in Kassel (1992 & 1997) und an Skulptur Projekte Münster (1997) bis hin zu umfangreichen Einzelausstellungen in renommierten Institutionen wie dem Palacio de Velázquez / Museo Reina Sofía in Madrid (2012), dem Kunsthaus Graz (2013), dem Mudam Luxembourg sowie der Kestner­gesell­schaft in Hannover (beide 2014) – um nur eine Auswahl der letzten drei Jahre zu nennen.

 

Die Arbeit von Heimo Zobernig zeichnet sich nicht nur durch ihre hohe formale und inhaltliche Präzision aus. Nicht selten gelingt es ihm, die Betrachter intellektuell und sinnlich gleicher­maßen zu involvieren. Dabei reicht sein Spektrum von Zeichnung und Malerei über Installation und Bildhauerei bis hin zu Video und räumlichen Settings mit Gebrauchscharakter. Schon zu Beginn seiner Karriere verstand es Heimo Zobernig, die Grundprämissen der Kunst zugleich kritisch wie lustvoll zu hinterfragen, indem er die Aus­stellung beziehungsweise den Katalog oder das Buch selbst als Medium seiner analytischen Reflexion nutzte. In diesem Sinne wurden die einzelnen Bausteine der Kunst mitunter zum eigent­lichen Werk. So legt er die Mechanismen des Kunstsystems offen, thematisiert Hierarchien und untersucht Konzepte sowohl auf ihre konkreten wie auch metaphorischen Bedeutungen. Umso beein­druckender ist es, wie es ihm gelingt, diese Fragestellungen sowohl in Gestalt von fast klassisch zu nennenden, autonom erscheinenden Leinwandbildern und Skulpturen als auch mithilfe konkreter archi­tek­tonischer Eingriffe und Installationen zu verhandeln.

 

Für den auf einem Raumkonzept von Robert Kramreiter basie­renden und 1934 durch Josef Hoffmann realisierten Bau des Österreichi­schen Pavillons wird Heimo Zobernig beide Vorgehens­weisen souverän miteinander kombinieren. Sowohl räumlicher Eingriff als auch auto­nomes Kunstwerk werden in seinem Beitrag für Venedig eine gleichrangige, sich gegenseitig kommentierende Verbindung eingehen. Nicht weniger als der konkrete Raum ist auch die Situation der Biennale selbst Ausgangspunkt für die Überlegungen von Heimo Zobernig. Wie lässt sich in einem Umfeld, das auf nationalstaatliche Repräsentation setzt und in dem die einzelnen Stimmen jeweils um die größte Aufmerksamkeit werben, ein angemessener Beitrag realisieren? Welche Effekte ergeben in einem solchen Zusammen­hang Sinn? Auch diese Fragen spielen in der Konzeption von Heimo Zobernig für Venedig eine Rolle. Und genau hierfür ist der Österreichische Pavillon mit seiner gleichermaßen klassischen wie modernen Formensprache ein idealer Ausstellungsraum.

 

Yilmaz Dziewior

Bregenz im September 2014

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